Auszug aus Kapitel „Die Wahrheit über John“

Langsam begab ich mich in die stille und leicht schummrige Kirche, die nur von den unzähligen Kerzen erhellt wurde. Das flackernde Licht der Kerzen erhellte die Gesichter der Heiligen auf den Ikonen. Je nach Blickwinkel hatte man das Gefühl, sie würden einen strafend oder lächelnd anschauen. Ich bekreuzigte mich und küsste die Ikone der Mutter Maria. Ich war wieder das kleine Mädchen, das mit seiner geliebten Oma in die Kirche ging. Tief den Geruch von Honigwachs und Weihrauch einatmend setze ich mich in eine abgedunkelte Ecke in der Kirche und ließ meine Erinnerungen an diese wunderbare Zeit, als meine Yiayia noch lebte, Revue passieren.
»Oma, warum küssen die Menschen die Ikonen, das ist doch alles so vollgesabbert. Ich mache das nicht«, erinnerte ich mich an unseren ersten Besuch in dem Kloster.
»Es kommt darauf an, was du zuerst siehst«, erinnerte ich mich an die Antwort, »Was siehst du? Siehst du die heilige Mutter Maria, in ihrer unendlichen Güte oder siehst du den Sabber, wie du ihn nennst? Entzündest du die Kerzen für deine privaten Wünsche oder betest du für alle Menschen auf der Welt. Es kommt immer darauf an, wie du etwas siehst und wenn dich der Sabber stört, dann nimm ein Tuch und reinige die Ikone und dann nimm dasselbe Tuch und reinige dein Herz«, sprach sie und drückte mir ein Tuch in die Hand und forderte mich auf, die Ikonen zu reinigen. Als ich fertig war, fragte ich sie, wie ich denn jetzt mein Herz mit diesem Tuch putzen sollte und ich erinnere mich an ihr glockenhelles Lachen und die vielen Küsse, mit denen sie mein Gesicht überschüttete.
»So, jetzt ist dein Gesicht voller Küsse von mir, ekelt es dich?«, fragte sie immer noch lachend und drückte mich fest an ihren wunderbaren, warmen Körper. Das Tuch, das ein Herz reinigt, nennt sich Demut, meine Kleine. Demut und Vergebung, aber dafür bist du noch zu klein und dein Herz bedarf keiner Reinigung.«